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Was tun, wenn die Angst zurückkehrt? Teil 2

Lösungen finden, statt Probleme suchen!

Die beiden ersten von 4 Gründen, warum bei manchen Menschen die Angst noch einmal vorübergehend zurückkehren kann, habe ich ja bereits in einem früheren Blogartikel beschrieben, den Sie HIER nochmal abrufen können.

Doch es gibt noch zwei weitere Gründe, warum Angst oder Panik noch einmal kurzzeitig auftauchen können.

Grund 3: Der sekundäre Krankheitsgewinn

Grund 3 hat mit dem secondary gain zu tun, also dem sekundären Krankheitsgewinn, den Sie vielleicht schon aus meinem Buch kennen. Wer so sehr unter Ängsten leidet, dass er nicht mehr zur Arbeit gehen kann, vielleicht sogar nicht einmal mehr einkaufen oder auf die Straße gehen kann, der hat natürlich auf der einen Seite einen riesigen Verlust an Lebensqualität. Auf der anderen Seite ist es aber durchaus möglich, dass die Krankheit auch paar Vorteile mit sich bringt, so merkwürdig das auch für manche klingen mag.

Lassen Sie mich das anhand eines Fallbeispiels aus unserer Praxis näher erläutern.

Vor gut einem Jahr kam ein 28-jähriger Mann zu mir in die Praxis, der von schweren Angstattacken geplagt wurde. 5 Jahre lang war er einem Job nachgegangen, der ihm absolut keinen Spaß machte, der aber wenigstens gutes Geld brachte. Doch obwohl er sich Tag für Tag schlecht gelaunt zur Arbeit schleppte, war er dennoch zu unflexibel, um sich anderweitig zu bewerben oder gar weiterzubilden, um auf dem Arbeitsmarkt künftig bessere Chancen zu haben. Irgendwann zog seine Psyche dann die Notbremse und die Diagnose „generalisierte Angststörung“ zwang ihn dazu, letztlich doch mit dem belastenden Job aufzuhören. Am ursprünglichen Problem, nämlich dem „zu unflexibel sein“, hatte sich aber nichts geändert. Durch die Krankschreibung hätte er zwar nun mehr als genug Zeit gehabt, um sich um einen neuen Job zu bemühen oder auch weiterzubilden, doch jetzt war er ja offiziell krank. Und das war eine ziemlich gute Ausrede, sich auch weiterhin vor dieser seit Jahren überfälligen Maßnahme zu drücken.

Diese tolle Ausrede nennt man secondary gain, also den sekundären Krankheitsgewinn. Sekundär bedeutet „auf einer zweiten Ebene“. Auf der ersten Ebene war die Angsterkrankung natürlich alles andere als ein Gewinn. Sie war sehr belastend und resultierte eindeutig daraus, dass der junge Mann viel zulange nicht auf sein Bauchgefühl gehört hatte. Dieses hatte ihm nämlich schon seit Jahren signalisiert, dass es an der Zeit ist, sich um einen anderen Job zu bemühen. Auf der zweiten Ebene war die Krankheit aber tatsächlich auch ein Gewinn für ihn, denn jetzt konnte er endlich guten Gewissens von der Arbeit fernbleiben, da er ja wirklich krank war. Und zwar seiner Meinung nach so krank, dass er nicht einmal jetzt in der Lage war, aktiv etwas dafür zu tun, um zukünftig in einem angenehmeren Arbeitsumfeld wieder voll und ganz aufzublühen.

Vielleicht dachte er insgeheim sogar: „Geschieht meinem Arbeitgeber ganz recht, dass er jetzt ohne mich auskommen muss! Das hat er nun davon, dass er mich die ganze Zeit so unter Druck gesetzt hat.“ Doch wer trägt denn letztendlich die Verantwortung für das Wohlbefinden des jungen Mannes? Sein Arbeitgeber – oder doch er selbst?

Natürlich hat der Arbeitgeber einen gewissen Einfluss auf das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter. Aber er trägt nicht die Verantwortung für deren Leben. Wir alle tragen selbst die Verantwortung für unser Leben und der einzige Grund, warum sich hier eine Angststörung entwickeln konnte, ist der, dass hier jemand schlicht zu bequem war, sich rechtzeitig aktiv um einen besseren Job zu bemühen. Bei anderen Angstpatienten war es vielleicht eine bessere Beziehung oder ein besseres Umfeld, um das man sich hätte aktiv bemühen dürfen. Ganz egal, worunter wir in unserem Leben leiden, es liegt an uns und NUR an uns, daran etwas zu verändern.

Konfrontiere ich meine Patienten dann mit dieser „zugegebenermaßen“ unangenehmen Wahrheit, dann bekomme ich nicht selten zur Antwort: „Ich kann nicht, die Angst beherrscht mich so sehr, dass ich an gar nichts anderes mehr denken kann!“ Hake ich dann aber konkret nach, stellt sich in aller Regel heraus, dass das so gar nicht stimmt. Die wirklich extremen Angstmomente halten bei den meisten nur wenige Minuten bis maximal 2 Stunden an. Gefühlt ist das natürlich eine halbe Ewigkeit, aber in Wirklichkeit sind das im Extremfall noch nicht einmal 10 % des ganzen Tages.

Doch was ist mit dem Rest der Zeit? Gerade jüngere Angstpatienten schaffen es oft spielend, diese mit Fernsehen, Videospielen oder Surfen im Internet totzuschlagen. 1.000 oder gar mehr Stunden pro Jahr werden so vergeudet, in denen man vielleicht besser darüber nachgedacht hätte, welcher Beruf einen wirklich glücklich machen könnte und über welchen Fernlehrgang man auch von zu Hause aus eine Weiterbildung machen kann, die einen wirklich voranbringt. Darauf angesprochen kommt dann überwiegend die nächste Ausrede, nämlich dass man dafür kein Geld hätte. Bei dem jungen Mann aus meinem Praxisbeispiel war es genauso. Tatsächlich jedoch hatte er nicht ein einziges Mal recherchiert, was so eine Weiterbildung wirklich kostet. Sonst hätte er nämlich gewusst, dass es z.B. bei udemy.com bereits ab 10 Euro komplette Videokurse für fast jede mögliche Weiterbildung gibt.

Angstpatienten finden viel schneller einen Grund, warum Sie etwas NICHT tun, als dass Sie einen Grund dafür finden, warum Sie sofort anfangen sollten, etwas an Ihrem Leben zu verändern. Das liegt nicht selten daran, dass sie kein wirklich großes und klares Ziel haben, für das es sich lohnt, wieder aktiv zu werden.

Grund 4: Das fehlende große Ziel

Und genau das Fehlen eines solchen Zieles ist der 4. Grund, warum die Angst einen nochmal überfallen kann. So war es auch bei dem jungen Mann aus meinem Beispiel. Er hatte sich nie um eine Weiterbildung bemüht, da er sich nie ernsthaft Gedanken gemacht hatte, welcher Job für ihn der passende sein könnte. Ich empfahl ihm daraufhin das Buch „Mach was du willst – Design Thinking fürs Leben“ von Bill Burnett und Dave Evens – und tatsächlich gelang es ihm damit herauszufinden, welcher Beruf wirklich zu ihm passte. Eine kurze Buchbeschreibung, worum es genau in diesem extrem hilfreichen Buch geht, finden Sie unter der Rubrik BUCHTIPPS.

Im Fall des jungen Mannes stellte sich heraus, dass seine berufliche Zukunft im selbstständigen Entwerfen und Bauen von Webseiten lag. Das dazu nötige Handwerkszeug erlernte er in weniger als 4 Monaten und mit einem Kapitalaufwand von insgesamt gerademal 80 €. Soviel kosteten die verschiedenen WordPress—Videoworkshops, die er auf mein Anraten hin auf udemy.com belegte. WordPress ist übrigens eine sehr beliebte Plattform zur Erstellung guter und schöner Webseiten und auch meine eigene Seite basiert darauf. Schon während dieser ersten 4 Monate erstellte der junge Mann eine tolle Webseite für die Boutique seiner Schwester und eine weitere für den Handwerksbetrieb seines Onkels. Beide hatten dadurch eine so deutliche Umsatzsteigerung, dass immer mehr Freunde und Bekannte auf die Idee kamen, sich ebenfalls eine Webseite von ihm erstellen zu lassen. Kein halbes Jahr später verdiente er mit seiner neu gegründeten Webseitenagentur mehr als das Vierfache von dem, was er zuvor in seinem alten Job verdient hatte, der ihn so krank gemacht hatte. Und die Angststörung? Die verschwand schon während der 4-monatigen Lernphase ganz von selbst, denn nun hatte seine Psyche ja schlicht keinen Grund mehr, ihn vor einem selbst schädigenden Verhalten zu warnen.

Große Ziele helfen!

Große und für sich passende Ziele zu haben, ist eine Grundvoraussetzung für ein glückliches und zufriedenes Leben. Nur zu sagen: „Ich wäre ja schon zufrieden, wenn die Angst endlich weg wäre!“ ist KEIN solches Ziel, denn hier richten Sie Ihre Konzentration ja wieder nur auf das, was Sie LOSWERDEN wollen, nicht aber auf das, wofür es sich wieder lohnt, aktiv zu werden.

Übrigens, wer sich als Unterstützung den begleitenden Videokurs zu meinem Buch geholt hat, den ich auf meiner Webseite anbiete, der sollte sich in diesem Zusammenhang nochmal die Videos 24 bis 28 gezielt ansehen. Hier erkläre ich ganz ausführlich, warum der Wunsch, NUR „die Angst loswerden“ zu wollen, nicht ausreicht, um wieder dauerhaft gesund zu werden und wie das mit den RICHTIGEN Zielen auch bei Ihnen zum Erfolg führen kann.

Bild: ra2 studio, fotolia.com