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Das „Roemheld-Syndrom“ – wenn Blähungen Angst machen

Das Roemheld-Syndrom ist benannt nach seinem Entdecker, dem Internisten Ludwig von Roemheld. Dieser machte Anfang des 20. Jahrhunderts eine spannende Entdeckung: Er fand heraus, dass bei vielen Menschen, bei denen sich in Magen und Darm vermehrt Gas ansammelt, auch häufiger Symptome auftreten, über die ansonsten in erster Linie Angstpatienten klagen: Hitzewallungen, Atemnot, Herzklopfen, Kurzatmigkeit, Angstzustände, Schwindel, Schlafstörungen und sogenannte Extrasystolen, besser bekannt als Herzstolpern.

Doch was steckt dahinter? Im Exaplan, dem Kompendium der klinischen Medizin, wird dieses Phänomen wie folgt beschrieben: „Durch die Luftansammlung im Magen-Darm-Trakt wird das Zwerchfell nach oben gedrückt und kann direkten oder indirekten Druck auf das Herz ausüben. Es können verschiedene Herzbeschwerden entstehen, unter anderem Schmerzen, die einer Angina pectoris (Brustenge) ähneln. In schweren Fällen kann es zu einer kurzzeitigen Ohnmacht kommen.“

(Quelle: Thomas Kia, Hamid Emminger (Hrsg.): Exaplan – Das Kompendium der klinischen Medizin. 7. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer, 2011, ISBN 978-3-437-42464-9, S. 23.)

Weniger Blähungen, weniger Angst

Falls auch Sie vermehrt unter Blähungen oder Aufstoßen leiden, wäre es also durchaus möglich, dass Sie einfach „nur“ unter dem Roemheld-Syndrom leiden. Und glücklicherweise gibt es eine Reihe von einfachen Tests um das herauszufinden, sowie einfache Hilfsmittel, die Sie gegebenenfalls nutzen können. Gerade in der Anfangsphase einer vermeintlichen Angststörung, in der die Angst sich noch nicht strukturell tief ins Gehirn gegraben hat, gilt beim Roemheld-Syndrom nämlich die Faustregel: Kein Druck aufs Zwerchfell, keine Angst.

Am einfachsten wäre es deshalb, Sie würden, wie zu Luthers Zeiten noch üblich, nach Herzenslust rülpsen und furzen. Die Blähungen hätten dann gar keine Chance, soviel internen Druck aufzubauen, wie nötig wäre, um diese unangenehmen Symptome auszulösen.

Ernährungsumstellung kann die Symptome beträchtlich lindern

Da diese Methode zur Angstreduzierung jedoch weder bei Familienangehörigen noch bei Arbeitskollegen wirklich gut ankommt, rate ich Ihnen eher zu einer Ernährungsumstellung. Vermeiden Sie einmal testweise für 14 Tage alles, was bläht. Sollten Sie wirklich vom Roemheld-Syndrom betroffen sein, sollten Sie alleine durch einen veränderten Speiseplan eine deutliche Reduzierung Ihrer Angstsymptome verzeichnen können.

Eine Liste mit Lebensmitteln, die besonders häufig Blähungen verursachen sowie eine zweite Liste mit Lebensmittel, die kaum blähen, finden Sie am Ende dieses Blogartikels. Da die erste Liste aber durchaus lang ist und ausgewogenes Essen auch viel mit Lebensqualität zu tun hat, möchte ich Ihnen noch 4 Tricks verraten, mit denen Sie ebenfalls Blähungen extrem reduzieren können, selbst wenn Sie Ihren Speiseplan nicht ganz so drastisch reduzieren.

Diese 4 Tricks helfen beim Roemheld-Syndrom

Trick 1: Gluten meiden

Verzichten Sie testweise zuerst einmal für 7 Tage NUR auf alle glutenhaltigen Produkte, sprich: auf alles, was aus Getreide wie

  • Weizen,
  • Roggen,
  • Dinkel,
  • Gerste,
  • Hafer

hergestellt wird. Viele Menschen leiden nämlich unter einer nicht erkannten Glutenunverträglichkeit. Das liegt auch daran, dass die dafür vorhandenen Blut-Tests nur nachweisen, ob Sie Antikörper gegen Gluten entwickeln. Wie Ihr Körper und Ihr Gehirn aber ansonsten auf dieses Klebereiweiß reagieren, wird NICHT getestet.

Doch zum Glück können Sie das ganz problemlos selbst testen: Beobachten Sie doch einmal ein paar Tage lang, ob und wie schnell Sie nach dem Essen müde werden und ob Ihre Konzentrationsfähigkeit nachlässt. Wie verhält es sich z.B. mit Ihrer Leistungsfähigkeit an Tagen, an denen Sie nur Gemüse und dazu vielleicht noch etwas Fisch oder Fleisch essen, im Vergleich zu solchen Tagen, an denen Sie zusätzlich noch beherzt in den Brotkorb greifen?

Ich für meinen Teil merke hier einen gravierenden Unterschied. Obwohl ich frisches Brot liebe, bin ich nach solchen Mahlzeiten längst nicht so konzentriert und leistungsfähig wie an den Tagen, an denen ich auf glutenhaltige Lebensmittel verzichte. Übrigens ist auch meine Verdauung an solchen Tagen wesentlich entspannter.

Trick 2: In der richtigen Reihenfolge essen

Essen Sie einzelne Lebensmittel in der richtigen Reihenfolge und (falls möglich) getrennt voneinander – und lassen Sie zwischen den einzelnen Gängen immer ein wenig Pause. Nehmen wir z.B. ein saftiges Stück Honigmelone, umwickelt mit Parmaschinken. Ich persönlich liebe diese Kombination, für viele Menschen jedoch ist sie ein Garant für Blähungen und Magenprobleme. Warum ist das so?

Würden Sie die Melone alleine essen, wäre diese spätestens nach 30 Minuten vollständig verdaut. Wird sie aber zusammen mit dem Schinken gegessen, sieht das ganz anders aus. Dieser braucht nämlich wesentlich länger, um verdaut zu werden, und blockiert dadurch die schnelle Verdauung der Melone. Durch die längere Verweildauer fängt das Obst im Magen zu gären an und die dadurch entstehenden Gase drücken das Zwerchfell nach oben. Das wiederum führt bei empfindlichen Menschen zum bereits erwähnten Roemheld-Syndrom mitsamt seinen unangenehmen Begleiterscheinungen.

In der richtigen Reihenfolge essen bedeutet, essen Sie Lebensmittel mit hohem Wassergehalt zuerst! Genießen Sie deshalb Obst nicht als Nachtisch, sondern lieber als Vorspeise. Gönnen Sie sich dann eine kleine Pause und verzehren Sie erst danach die eiweiß- und fetthaltigen Lebensmittel. Sie werden sehen, Ihre Blähungen lassen sich dadurch deutlich reduzieren.

Trick 3: Kümmel und Ingwer als „Verdauungshelfer“

Neben der Verwendung von Kümmel als Gewürz ist es auch sehr hilfreich, wenn Sie vor den Mahlzeiten einen Teelöffel frisch geraspelten Ingwer zu sich nehmen – beides reduziert die Anfälligkeit für Blähungen deutlich. Wem das zu scharf ist, der kann sich auch mit Ingwertee behelfen. Auch Fencheltee sowie eine Tee-Mischung aus Anis, Fenchel und Kümmel sind bekannt dafür, großen Gasansammlungen entgegenzuwirken.

Trick 4: Auf regelmäßige Bewegung achten

Machen Sie Sport oder gehen Sie zumindest regelmäßig spazieren. Das stärkt die Zwerchfell-Muskulatur und je stärker diese ist, umso schwerer fällt es den Gasen im Magen-Darm-Trakt, Druck auf Ihr Herz auszuüben. Idealerweise kombinieren Sie natürlich alle 4 Tricks, dann müssen Sie nur auf ganz wenige, wirklich stark blähende Lebensmittel wie Bohnen, Lauch oder bestimmte Süßstoffe verzichten.

Zur Belohnung werden Sie wesentlich seltener müde sein und wer weiß, vielleicht reicht ja alleine schon etwas mehr Bewegung, kombiniert mit einem neuen Essverhalten aus, um Sie von Ihren Angstattacken zu befreien.

Auf diese Lebensmittel sollten Sie beim Roemheld-Syndrom eher verzichten

  • lsenfrüchte: Bohnen, Erbsen, Linsen, Kichererbsen
  • Gemüse: Zwiebeln, Lauch, Frühlingszwiebeln, Weißkohl, Rotkohl, Sauerkraut, Kohlrabi, Bärlauch
  • Obst: Bananen, Birnen, Äpfel, Kiwi, Orangen, Pflaumen, Kirschen, Aprikosen, Trockenfrüchte
  • Getreideprodukte: Brot und Brötchen (auch Vollkorn!) Getreideflocken, Müsli, Gebäck, Vollkornreis
  • Milchprodukte: Milch, Joghurt, fette Käsesorten
  • Fleisch: Gans, Ente, fetter Schweinebraten
  • Wurst: Salami sowie alle Wurstsorten mit viel Fett
  • Getränke: Kohlensäurehaltige Getränke, Fruchtsäfte, Alkohol (Ausnahme: Rotwein in Maßen ist erlaubt)
  • Zucker und Süßstoff: Haushaltszucker, Fruchtzucker, Milchzucker, Sorbit, Xylit
  • Außerdem: Nüsse, Kerne, Pilze, scharfe Gewürze, Hefe sowie jede Form von Fastfood

Diese Lebensmittel können Sie problemlos essen

  • Kalbfleisch, Hühnchen und Pute (ohne Fett und Haut)
  • gekochte Kartoffeln oder Kartoffelpüree (keine Pommes!)
  • einfache Suppen und Brühe
  • gut gegartes Gemüse (z.B.: Tomaten, Möhren, Spinat)
  • Magerquark
  • stilles Wasser, Ingwertee, Fencheltee, Anistee, Kümmeltee.

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